
Malworkshop am 02.03.2019
2. März 2019
Jahreshauptversammlung
19. Februar 2020Bei der ersten Versammlung der Rethemer Landfrauen in 2020, am 16. Januar, erzählt Gesine Lange die eigene Geschichte über ihre Kindheit in der DDR und betont, dass man viele verschiedene Geschichten hören sollte, die dann als „einzelne Mosaiksteine“ ein „umfassendes Bild von dem Leben in der ehemaligen DDR“ergeben. Sie wurde im Mai 1967 in Rostock geboren und ist die Tochter des Altbundespräsidenten Joachim Gauck. Die ersten 4 Jahre verbrachte sie in Lüssow Nähe Güstrow, wo ihr Vater seine erste Pfarrstelle innehatte. Die „Freiheit“ auf dem Lande genoss Gesine Lange, auch weil sie nicht in die staatliche Krippe ging, da die Mutter in der Zeit nicht berufstätig war. Es gab in der DDR wenig Pastoren, weil „man nicht so viele brauchte“. Der Glauben wurde in dem sozialistischen Land „still und heimlich“ gelebt.
Der Umzug nach Rostock war eine große Umstellung. Die Wohnung im „Plattenbau“ war zwar geräumig und hatte Sanitäranlagen, aber die Umgebung war doch eher trist. Gesine Lange demonstrierte das durch authentische Fotos aus dem Bildband „Die sanfte Rebellion der Bilder“.
Beim Besuch der Vorschule, die verpflichtend für alle Kinder war und als Vorbereitung auf die Schule diente, erfuhr Frau Lange, dass man „in zwei verschiedenen Sprachen spricht“. Im Gegensatz zum Elternhaus, in dem die Familie frei und ungezwungen sprach, wurden in der Vorschule Vokabeln wie „Proletariat, Faschisten, antifaschistischer Schutzwall, NVA, LPG, Brudervolk, FDJ,…“ vermittelt, die für die Schüler „leere Hüllen“ waren. Die Organisationen wie die FDJ wurde als Stütze des Landes bezeichnet, die für die Zukunft wichtig war. Die Soldaten der NVA wurden sprachlich als „Helden“ bezeichnet wie auch die jungen Pioniere. Es war staatlich erwünscht, sich an diesen Organisationen zu beteiligen. Die Bilder in den Lehrbüchern zeigten in großer Selbstverständlichkeit Waffen, heldenhafte Soldaten und man sang fröhliche Kampflieder. Durch die Erziehung in den Schulen wurde ein „Hass im Herzen geschürt und Ängste erzeugt“, so Gesine Lange.
Die Referentin erzählte, dass sie nicht gern in die Schule ging, oft dachte „ich bin anders“ und erst später die Zusammenhänge erkannte. Es gab keine Nähe zu christlichen Kindern, dadurch hatte sie wenig Freunde und schwieg oft, weil Kirche und christlicher Glauben nicht angesagt waren. Erst als sie in der 6. Klasse war und sie in das alte Rostock umzogen, gab es noch einen Mitschüler, der ebenfalls aus einer christlichen Familie kam. So stand sie nicht mehr allein, wenn Sprüche gegen die Kirche geäußert wurden. Sie empfand die „Kirche als Insel“, wo man alles sagen konnte, was man wollte. Dort gab es auch eine Gemeinschaft und viele Gottesdienstbesucher waren nach einem Gottesdienst ermutigt, weiter in „der grauen Zeit“ zu leben. Gesine Lange war in einer Rockband Sängerin, die in den Kirchen christliche Rockmusik spielten. Auch dort standen sie unter Beobachtung der Stasi, die befürchtete, dass die „Kirche sich in die Schule einschleichen“ könnte. Der sozialistische Staat misstraute seinen eigenen Bürgern und überwachte sie permanent.
Im Schulfach „Zivilverteidigung“ in der 9.und 10. Klasse lernten die Schüler den Umgang mit Waffen, Sirenentönen und bastelten Gasmasken. Auf Seiten der Kinder gab es nur den „Widerstand“ auf dem Schulhof, im Unterricht folgte man
mit „Augen zu und durch“. Die Referentin weigerte sich, Schießübungen zu machen. Daraufhin gab es den Druck durch das „Kollektiv“, sich doch unterzuordnen, damit man als Klasse keine Nachteile hatte.
Mehr und mehr wurden Ausreiseanträge gestellt, um diesem System zu entkommen. Gesine Lange verließ das Land im Juni 1989, nachdem sie den Antrag 1988 gestellt hatte. Die Zeit der friedlichen Revolution bezeichnet sie als „tolle Zeit“, in der alle den Mund aufmachten und ohne Gewalt das Ende der DDR herbeiführten.Sie lebt in der Nähe von Bremen und ist dankbar, dass es zu der Wiedervereinigung gekommen ist. Sie genießt die Freiheit und empfindet es „als Geschenk, sein eigenes Leben in die Hand nehmen zu können“.
